Kapitel 12 aus dem CHANGE JOURNAL »
„Kleinvieh macht auch Mist“ oder „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“. Die guten alten Sprüche aus Omas Kalender ... heute hören die sich verstaubt und auch ziemlich spießig an, oder? Dabei steckt in ihnen jede Menge Substanz, genauer: eine hochaktuelle, effiziente Strategie, die Olympia- und Tour de France-Sieger hervorgebracht hat.
Doch immer schön der Reihe nach.
Was als kleinbürgerliches Tiefstapeln erscheinen mag, kann genau das Gegenteil bewirken: Nämlich dir dabei helfen, genau das zu erreichen, was du dir vorgenommen hast, was auch immer das ist!
Die Idee besteht darin, sich ein Ziel zu setzen, das in einiger Distanz wartet – so weit entfernt, dass es nicht mal eben mit einem Schritt zu erreichen ist (auch nicht mit einem Kraftakt). Es darf also gern ein ambitioniertes Ziel sein, vielleicht ein Wunsch, der dir schon lange am Herzen liegt, der dir aber gleichzeitig unerreichbar und zu tricky umzusetzen scheint.
Dein Trick besteht darin, so voranzukommen, dass es dir keine große Mühe macht: Schritt für Schritt. Mag sein, dass jeder Einzelne für sich genommen nicht sonderlich bedeutsam ist. Aber das ist auch nicht wichtig, es geht dir ja um etwas Größeres.
Und das ist der Kern: In dieser Strategie hat jeder Schritt seine Aufgabe. Als Marginal Gain, als kleiner, untergeordneter Erfolg tut er seinen Job. Dem Ziel, das so lange unerreichbar war, näherst du dich jetzt effektiv, kontinuierlich – und ohne Frust oder Überforderung. Dass das ein grandioses Gefühl ist, muss ich wohl kaum erwähnen ...
Mit zwei ganz unterschiedlichen Beispielen möchte ich dir zeigen, dass hinter dem Gedanken mehr steckt als Fleiß und Geduld. Nämlich Cleverness, Taktik und die wunderbaren Effekte der Synergie.
Der Wettbewerb „Bigger or Better“ funktioniert nach einem einfachen Prinzip:
Mehrere Teams starteten jeweils mit etwas Kleinem, Wertlosem, z.B. einem Zahnstocher. Dann gehen sie los und versuchen, diesen Zahnstocher gegen etwas Besseres zu tauschen. So wird aus dem Zahnstocher vielleicht ein T-Shirt, aus dem T-Shirt eine CD, aus der CD ein Kochtopf ... und am Ende steht ein Fahrrad. Abschließend treffen sich alle Gruppen und verglichen, wer die größte Wertsteigerung erfahren hat.
Die Kunst besteht darin, es nicht zu überreizen: Nur in kleinen Steigerungen ist der große Erfolg machbar. Trotzdem neigen wir dazu, sofort nach dem Fahrrad zu fragen, einfach, weil wir ungeduldig und auch gierig sind. Konsequenz: Aus Enttäuschung, weil es nicht sofort klappt, glauben wir nicht mehr an das größere Ziel und verlieren es aus den Augen. Dabei wäre Schritt für Schritt alles drin!
Das zweite Beispiel finde ich persönlich den Hammer.
Jahrzehntelang waren die Briten eine Randnotiz im Radsport. 2002 übernahm Dave Brailsford das Team. Sein extrem simples und zugleich bahnbrechendes Konzept lautete „Verdichtung von marginalen Gewinnen“.
Das Ziel: 1% Verbesserung in allem, was man tut (mehr nicht). Die Hypothese: Wenn man alles um 1% verbessert, werden sich die Verbesserungen zu ganz erstaunlichen Effekten aufsummieren. Das Ergebnis: das erfolgreichste Rad-Team aller Zeiten.
Wie das? Neben Naheliegendem wie Ernährung, Training und Technik nutzten Brailsford und sein Team bisher vernachlässigte Bereiche: So wurden spezielle Kopfkissen und Matratzen entwickelt (und mit auf Tour genommen), oder es gab eine neue Art des Händewaschens, die Infekte zu vermeiden half. Im Rahmen dieser ganzheitlichen Betrachtung fand das Team etliche Stellschrauben, die für sich klein wirken. Aber am Ende der Justierungen standen 18 olympische Goldmedaillen und eine überzeugte Fachwelt. Anschließend setzte Brailsford mit dem Team Sky die Serie fort – in Form von vier Tour de France-Titeln. Das übrigens als Sir: Für seine Verdienste war Brailsford 2012 zum Ritter geschlagen worden.
Bleibt eigentlich nur eine Frage offen: Wie sieht deine persönliche olympische Goldmedaille aus? Mach dich auf den Weg – mit Marginal Gains!
Hier eine Anregung aus dem CHANGE JOURNAL: